Zurück auf den Pamir Highway 

 

Unser nächtliches Treffen bleibt ohne weitere Folgen. Die Soldaten sind nicht wieder zurück gekommen. Die Temperaturen sind angenehm, hier in nur noch 2000 Meter Höhe. Beim Frühstücken stellen wir fest, dass unsere Vorräte zur Neige gehen. Hat doch besser gepasst als gedacht.

Unser heutiges Ziel heißt Qala-i-Khumb. Dort hin gelangen wir über die M41, die wir ja schon einige Kilometer gefahren sind. Dort müssen wir uns entscheiden wie wir Mittwoch nach Duschanbe fahren, entweder durchs Flachland oder wir bleiben auf der Straße, die uns wieder ins Hochgebirge führt. Durchs Gebirge sparen wir etwa 100 km, die Straße soll jedoch in einem besonders schlechten Zustand sein.

Circa 200km haben wir vor uns, das sollte ja leicht zu bewältigen sein. Falsch gedacht! Hier unten ist der Highway nicht mit dem hinter der Grenze zu vergleichen. Anfangs müssen wir nur auf Schlaglöcher im Asphalt achten, dann fahren wir in eine tiefe Schlucht und die Straßenverhältnisse werden unbeschreiblich schlecht. Dazu sei gesagt, bei dieser Straße handelt es sich um die einzige Verbindung zwischen der Hauptstadt und der Bezirkshauptstadt Khorog. Die Straße ist direkt in den Fels geschlagen. Links geht es steil bergab, unten fließt der Grenzfluss, ein reißendes Gewässer. Zu unsere rechten steigt die Felswand nahezu senkrecht an. Die geschotterten Abschnitt lassen sich einigermaßen befahren. Das Problem ist, dass die Straße einst asphaltiert war. Nun ragen aus der Straße neben Felsen des Untergrundes auch bis zu 20cm hohe Asphaltkanten. Dazu kommen Schlaglöcher, in die ein ganzer Passat fallen könnte. Unsere Ölwannenpanzer werden ordentlich beansprucht. Oft ist die frage nicht, ob man aufsetzt sondern wo man am besten aufsetzen sollte um wenig Schaden anzurichten. Zu dem ganzen Schlamassel ist der Weg auch noch mit Bodenwellen gespickt, die unser Gepäck durchs Auto fliegen lassen. Und das bei unseren arg gebeutelten Dämpfern.

Als die Straßenverhältnisse noch schlechter werden führt dies bei Anna zu einem Lachkrampf, den wir nach einer halben Stunde beenden müssen,  indem wir sie ins Büro verbannen. Vom hinteren Sitz (das Büro) bekommt man nicht allzuviel von der Straße mit und Anna kann sich mental wieder fangen. Derweil hören wir auf mitzuzählen wie oft das Auto aussetzt oder die Federn bis in die Anschläge geschlagen werden. Bei Team Hatobar zerlegt es einen Stoßdämpfer an der Hinterachse komplett. Den müssen wir noch schnell raus operieren. Es ist schon unglaublich, was die Autos mitmachen müssen. Es wird dunkel bis wir Qala-i-Khumb erreichen. Unsere Schnittgeschwindigkeit lag unter 20 kmh.

Während dieser Tortur haben wir uns entschlossen, die südliche Route, die in einem guten Zustand sein soll zu nehmen. Der Weg über den Pamir ist zwar reizvoll, aber noch so eine Strecke wollen wir unseren Autos nicht antun. In der Stadt treffen wir die Münchner Kindl wieder, die hier auf uns gewartet haben. Wir werden also mit fünf Autos ins Ziel einlaufen.

Trotz der Dunkelheit entschließen wir uns zu campen. Schlimmer als die letzten zehn Kilometer, die wir gezwungenermaßen im Dunkeln gefahren sind kann es nicht mehr werden. Wir fahren am Fluss entlang, bis wir eine geeignete Stelle gefunden haben. Der Boden ist steinig aber eben. Zu essen gibt es die letzten Konserven, einige sind auf den Pisten leider in unserer Ersatzradmulde geplatzt. Es ist schön wieder ein anderes Team dabei zu haben. In gemütlicher Runde erzählen wir von unseren Erlebnissen, der letzten Wochen.

Ein interessantes Rendezvous 

Am Morgen sind wir früh wach,wir stellen zum letzten Mal die Uhr um. Von der inoffiziellen Pamirzeit zur offiziellen Tadschikistan Zeit. Da wir zwei Stunden bis zum Frühstück haben lassen wir es uns nicht nehmen noch mal in die Quellen zu springen. Zum Frühstück gibt es heute Rührei und Bratwurst. Dazu Brot und frische Butter. Das gefällt schon besser als das letzte traditionelle Frühstück.

Wir machen uns auf den Weg, denn heute wollen wir es bis hinter Korogh schaffen. Das sind zwar keine 200km, aber die Straßen werden sich wohl nicht bessern.

Durch zahllose kleine Dörfer führt die Straße immer am Grenzfluss entlang. Die Menschen hier leben von Ackerbau und Viehzucht. Am Wegesrand wird Korn von Hand gedroschen, Ochsengespanne pflügen die abgeernteten Äcker. Ab und zu sieht man einen Traktor. Überall werden wir freundlich gegrüßt.

Gegen Mittag erreichen wir einen Grenzmarkt. Der hat leider nur samstags geöffnet, somit verfällt unsere Chance afghanischen Boden zu betreten. Im nächsten Ort kehren wir in ein kleines Restaurant ein. Zwar ist die Speisekarte lang, aber der Wirt erklärt uns, es gibt Blov. Also essen wir wieder Reis mit Gemüse und Fleisch (Blov).

Wir fahren weiter Richtung Korogh, da hat Johnny seine erste „Panne“. Der originale Unterfahrschutz hat sich inzwischen in Wohlgefallen aufgelöst und der Öhlwannenpanzer hat sich nach einem heftigeren Einschlag gelöst. Also das Auto auf Steinen aufbocken und wieder hoch hängen. Das Teil ist hier überlebenswichtig! Korogh erreichen wir um kurz nach fünf. Die Banken hier schließen um fünf und sind die einzige Möglichkeit an Somoni, die lokale Währung zu gelangen. Mit USD kann man zwar viel bezahlen, aber man bekommt schlechte Wechselkurse. In manchen Läden werden sie gar nicht akzeptiert. Der einzige internationale Geldautomat zeigt den Windows Blues regen. Also bekommen wir auch keine SIM Karte und Martin muss weiter Blogbeiträge offline vorschreiben.

Bis wir getankt haben sind mal wieder zwei Stunden vergangen und es wird dunkel. Schade, eigentlich wollten wir heute weiter kommen. Im Dunkeln suchen wir kurz hinter der Stadt einen geeigneten Platz zum Übernachten. Wir finden eine Abfahrt von der Straße und auch eine ebene Fläche. Die ist zwar total vermüllt, aber bei den hiesigen Straßenverhältnissen ist an eine Weiterfahrt im Dunkeln nicht zu denken.

Wir kochen Safranreis mit 5g kirgisichem Safran (die Mindestabnahme waren 10g) mit Dosenfleisch und Gemüse. Klingt zwar wie Blov, schmeckt aber besser. Als wir ca. zwei Stunden in gemütlicher Runde sitzen tauchen aus der Dunkelheit vier Gestalten mit Kalashnikovs auf. Wir begrüßen sie herzlich, denn dieser Besuch wurde uns schon von der Rallyorganisation angekündigt.

 

Es sind tadschikische Soldaten auf nächtlicher Patrouille. Sie haben die Aufgabe den hier florierenden Drogenschmuggel aus Afghanistan einzudämmen. Argwöhnisch inspizieren sie unser Lager. Leider sprechen sie weder englisch noch russisch. Nachdem sie verstanden haben, dass wir aus Deutschland kommen setzen sie sich zu uns. Wir dürfen nicht aufstehen, die Soldaten wirken nervös. Wir bieten ihnen Tee an, sie möchten keinen. Die Situation ist nicht bedrohlich, allerdings seltsam da die Verständigung nahezu vollkommen unmöglich ist. Die Soldaten beginnen uns lustige Videos auf ihrem Handy zu zeigen, wir zeigen ihnen Bilder unserer Reise. Aber auch jetzt noch signalisieren sie uns, dass sie wohl die ganze Nacht hier bleiben werden. Da fällt uns ein Zettel aus unserem Roadbook ein, auf dem in vier Sprachen, unter anderem tadschikisch unser Vorhaben erklärt ist. Wir zeigen ihnen den Text, worauf hin die Anspannung bei ihnen merklich weicht. Sie bedanken sich bei uns allen und es folgt ein aufwändiges Fotoshooting. Kurze Zeit später ziehen die vier im Marschschritt ab. Erleichtert gehen wir ins Bett.

 

Der Wakhan Korridor 

Nach unserer bisher kältesten Nacht, das Thermometer ist über Nacht auf minus fünf Grad gefallen, wachen wir alle, geweckt von der Sonne früh auf. Allerdings zieht sich das morgendliche Treiben in die Länge. Die Kälte und der eisige Wind machen uns etwas zu schaffen. Tagsüber waren es noch knapp dreißig Grad. Das Wetter hier oben ist schon gewöhnungsbedürftig.

Wir starten trotzdem zeitig, denn wir wollen heute weit kommen, nur der Weg steht noch nicht ganz fest. Es gibt zwei Alternativen. Entweder im Hochgebirge bleiben, oder einen Schlenker nach Süden machen. Der zweite Weg führt und dann durch den so genannten Wakhan Korridor, direkt an der afghanischen Grenze entlang. Fraglich ist allerdings, ob der Pass befahrbar ist, die Bedingungen sollen sich hier oft ändern. Wir bevorzugen jedoch diese Route, da wir sonst wohl schon Dienstag Duschanbe erreichen.

Die Passstraße ist als solche erst mal schwer zu erkennen. In der Einöde sind einige Fahrspuren zu erkennen, das wars. Wir versuchen es trotzdem. Mit unseren äußerst geländegängigen Boliden erklimmen wir den Pass in 4300 Metern Höhe trotz widriger Straßenverhältnisse relativ problemlos. Am Pass treffen wir ein paar Jäger, die Marco Polo Schafe jagen wollen. Sie meinen die Straßen ins Tal seien verhältnismäßig gut. Wir entschließen uns ins Tal zu fahren.

Nach wenigen Kilometern erreichen wir einen tadschikischen Grenzposten. Die Grenze nach Afghanistan ist keinen Steinwurf mehr entfernt. Nachdem unsere Passdaten mal wieder auf weißen DIN a4 Seiten notiert wurden können wir unsere Reise fortsetzen. Zu unserer linken erstreckt sich der Hindukusch, zur rechten der Pamir. Und wir mitten drin!

 

Die Straße ist befahrbar, mehr Lob ist nicht zu verlieren. Das Panorama allerdings ist wunderschön. Teils führt die Straße direkt am Ufer entlang, teils gleicht die Landschaft dem Grand Canyon. Der Weg ist direkt in den Fels geschlagen,teils von Geröll bedeckt. Ca. 80 km, also vier Stunden nach dem Grenzposten erreichen wir eine oasenähnliche Landschaft und die ersten Dörfer. Wir sind inzwischen nur noch etwa 3000 Meter hoch. Es wachsen wieder hohe Bäume, hier wird Getreide angebaut, es wächst Obst und Gemüse. Die Menschen an der Straße begrüßen uns fröhlich. Es sieht wieder nach Zivilisation aus,die erste die wir in Tadschikistan sehen. Auffallend ist die Sauberkeit in den Dörfern. Es herrscht eine bemerkenswerte Gegenlichtstimmung, als wir bei tief stehender Sonne gen Westen fahren. Im gesamten Tal liegt ein feiner Staub in der Luft. Vorrausfahrende Fahrzeuge verschwinden einfach in ihrer eigenen Staubwolke. Durch die Sonne fährt man auf eine helle Wand zu.

Unser heutiges Tagesziel sind die heißen Quellen von Bibi Fotima. Wir kämpfen uns noch einmal acht Kilometer den Berg hinauf bis wir die Quellen erreichen. Als wir ankommen ist es acht Uhr. Wir haben nach zehn Stunden Fahrt ohne längere Pausen ca. 200 km zurückgelegt. Die Anstrengungen haben sich aber definitiv gelohnt.

 

Wir finden ein kleines Hotel direkt neben den Quellen. Der Inhaber erklärt uns das Bad sei geschlossen, er könne es uns aber aufschließen lassen. Das lassen wir uns nicht zwei mal sagen. Vor dem Essen springen wir noch eine halbe Stunde in das warme Naturbad. Aus dem Fels strömt ein schnell fließender, ca. 40 Grad warmer Bach in mehrere Becken. Was für ein Genuss.

Der Ak-Baital Pass

Am Morgen müssen wir einige Leiden erleiden. Wir haben zu neunt in einem kleinen Raum auf Teppichen geschlafen. Die einen leiden unter Schlafmangel, aufgrund der nächtlichen Lautstärke (Grüße an Team Boozebrothers), die andern haben Rücken oder leiden noch immer an Höhenkrankheit. Auch das tadschikische Frühstück kann uns nicht so recht munter machen. Ein Teller Milchreis und ein Stück trockenes Brot. Andere Länder, andere Sitten.

Wir brechen auf und machen gleich am Karakul See Halt. Ein fantastischer Anblick bietet sich uns. Der See strahlt tiefblau vor einer wirklich kitschigen Gebirgskulisse. Wir nutzen die Gelegenheit und füllen unsere Wasservorräte auf und machen uns auf den Weg nach Murghab, der ersten Stadt in Tadschikistan am Pamir Highway. Das Wort Highway hat übrigens nichts mit dem amerikanischen Highway zu tun, sondern damit, dass er zum größten Teil auf über 4000 Meter Höhe verläuft.

Halbwegs intakte,  asphaltierte Abschnitte wechseln sich mit katastrophalen Waschbrettpisten ab. Die chinesische Grenze immer in Sichtweite schlängelt sich der Highway durch die schneebedeckten Berge, die hier auf über 6000 Meter reichen.

Auf halber Strecke kommt uns ein Geländewagen entgegen, er gibt uns Lichthupe und blockiert uns den Weg. Heraus springt der Offizier der gestern  mit unseren Papieren nach Murghab aufgebrochen ist. Offenbar wieder trampend und gut gelaunt. Er hat schon alles vorbereitet, wir müssen nur noch unterschreiben. Dann zahlen wir eine Gebühr von 25 Dollar pro Fahrzeug und tauschen unsere Papiere gegen seinen Pass. Alles ganz einfach.Im Nachhinein betrachtet ist das eine Geschichte, die aus einem schlechten Traum stammen könnte.

Kurze Zeit später erreichen wir den zweithöchsten Pass der Welt. Der Ak – Baital führt uns in 4655 Meter Höhe. Zum Glück sind die Straßen in einem akzeptablen Zustand und die Autos kommen problemlos nach oben. An einem Hang grast eine Herde Yaks. Irgendwie verrückte Welt hier.

 

Auf dem weiteren Weg bessert sich die Straße. Fast vollständig asphaltiert und in ungewohnt gutem Zustand. Einmal fehlt eine Brücke, aber das ist schon Jammern auf hohem Niveau. Wir erreichen Murghab ohne Probleme und sind etwas erstaunt, was man hier unter Stadt versteht. Eine Lose Ansammlung von Hütten, aber es gibt alles, was man zum Leben braucht. Ein Lenindenkmal, eine Post, eine Polizei, drei Banken, mindestens drei „Tankstellen“ und ein Hotel mit Restaurant. Dieses Suchen wir umgehend auf, das Frühstück war doch sehr karg. Es gibt Plov und Suppe. Seit langem besteht die regionale Küche mal nicht aus Fleisch mit Zwiebeln, sondern aus Reis, Gemüse und etwas Schaf. Sehr gut!

Nach dem Essen tanken wir 92 Oktan Benzin, die weiteren Details dieser Aktion bleiben einem Gespräch in keiner Runde vorenthalten. Unsere Versuche Post-und SIM Karten zu erwerben und Geld zu wechseln scheitern an dem Umstand, dass Wochenende ist. Wir machen uns wieder auf den Weg, solange bis die Sonne untergeht. Noch im Hellen schlagen wir unser Lager auf. Der Wind pfeift eisig durch das Tal und wir fallen früh ins Bett. Wir waren heute den ganzen Tag in über 4000 Meter Höhe. Das schlaucht!

Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass der Sternenhimmel hier noch imposanter ist, als in der Wüste. Wir sind sicher 300 km von der nächsten Straßenlaterne entfernt und die Milchstraße erstrahlt in ihrer ganzen Pracht.

 

Willkommen in Tadschikistan! 

Am Morgen bekommen wir Besuch. Unsere Nachbarn bringen uns frische Stutenmilch, Brot und eine Art Creme Fraiche, auch aus Stutenmilch vorbei. Außerdem eine Art kugelförmig Trockenkäse. Wir probieren natürlich alles, was uns angeboten wird. Die Milch ist zum Glück frischer als die, die wir vor zwei Tagen probiert hatten. Sie schmeckt gut, man munkelt sie hat den einen oder anderen Kater vertrieben. Die Käsekugeln schmecken salzig sauer. Außerdem saugen sie jede Flüssigkeit aus dem Mund. Gewöhnungsbedürftig, aber nach kurzer Zeit durchaus lecker.

Wir verabschieden uns von unseren Gastgebern und machen uns auf Richtung Grenze. Die wesentlich steiferen Federn der Hinterachse machen sich sofort positiv bemerkbar. Wir setzen auf den Feldwegen wesentlich seltener auf. Als wir die ersten Berge erklimmen fängt es an zu regnen. Das hatten wir nicht mehr seit Transilvanien. Außerdem ist hier wieder eine Grünfärbung des Grases zu erkennen.

Der erste Pass, den wir heute überfahren liegt in 3600 Metern. Eine Höhe bei der, der Leistungsverlust der Fahrzeuge schon deutlich zu spüren ist. Im zweiten Gang schleppen sich die Autos den Berg hinauf, erreichen den Pass auf guten, geteerten Straßen noch ohne Probleme. Wir erreichen eine Hochebene, die in ca. 3000 Metern liegt und tanken ein letztes Mal für die nächsten 800 km voll. Hier gibt es leider nur 80 Oktan Benzin. Zusammen mit dem, was wir noch im Tank haben sollte das Gemisch aber noch ca. 91 Oktan aufweisen. Wir erwarten keine Probleme.

Wir biegen auf die Grenzstraße ab, vor uns Reihen sich die schneebedeckten Gipfel des Transalai Gebirges auf. Ein wunderschöner Anblick. Wir nutzen die Gelegenheit um ein Gruppenfoto vor solch pathetischer Kulisse zu machen. Auf immer schlechter werdenden Straßen erreichen wir die kirgisische Seite der Grenze. Die Ausreise verläuft unproblematisch, danach beginnt der Fahrspaß. Eine ehemals asphaltierte Straße führt 20km lang über einen 4300m hohen Pass zur Grenze. Die Beschreibung „Straße“ ist deutlich übertrieben. Schlaglöcher werden von Steinen, Felsen Asphaltanhäufungen abgewechselt. An einer Stelle musste die Straße einem Bach weichen. Schon bald ist nur noch eine Schotterpiste übrig. Wir lassen etwas Luft aus den Reifen, denn oft genug haben wir zu wenig Grip auf dem staubigen Untergrund. Steilere Passagen sind nur noch im ersten Gang befahrbar, man muss immer darauf achten, dass die Drehzahl hoch genug bleibt, dass der Motor noch ausreichend leisted. Nachdem wir ein paar mal hängen geblieben sind erreichen wir den Pass, kurz darauf die Tadschikische Seite der Grenze.

Jetzt geht die Suche nach Passierschein A38 los. Nachdem wir den Stempel im Pass haben müssen wir es schaffen drei Dokumente für das Fahrzeug zu bekommen. Wir werden von einer Baracke zur nächsten geschickt, es beginnt mit einer Quarantäne Station,was die bezweckt bleibt unklar, sie kostet aber 15 Dollar. Weiter geht’s zum Tierarzt, der händigt uns nach Vorlage des ersten Dokuments und zwei Dollar Bearbeitungsgebühr einen weiteren Zettel aus. Mit beiden zusammen geht’s in die dritte Baracke. Hier bekommen wir für fünf Dollar einen weiteren Zettel. Der Herr zieht sich eine Gasmaske an, schnallt sich eine Sprühflasche um und marschiert zu unseren Autos. Offenbar ist er für die Desinfektion der Reifen zuständig. Wäre das schon mal erledigt. Es ist ca. eine Stunde vergangen als wir das Transport Police „Büro“ erreicht haben. Während dessen haben sich diverse Zöllner ca. fünf Flaschen Bier von uns geschnorrt. Im Büro zahlen wir die Road Tax, vermuten wir zumindest. Hier kann keiner auch nur ein bisschen Englisch. Interessant ist, dass nach jeder der einzelnen Zahlungen der Satz „Welcome to Tadschikistan“ fällt. Aus unserem Roadbook wissen wir, wir brauchen drei Dokumente. Zwei haben wir bereits. Das wichtigste, das temporäre Importformular, fehlt noch.

Also auf zur letzten Baracke, zum Zoll. Hier spricht immerhin jemand ein paar Wörter englisch. Jetzt wird es spannend. Die Zöllner haben keine Formulare mehr. Und jetzt? Der Tadschike ist da ganz pragmatisch! Der Zöllner erklärt uns, dass wir ihn mitnehmen nach Karakul, dem nächsten Ort. Von da aus fährt er weiter nach Murghab, der wieder nächsten Stadt, holt neue Formulare und wartet dort auf uns. Klingt machbar. Dann kommt der Haken. Die Beamten behalten die Pässe der Fahrzeughalter und die Fahrzeugscheine ein, als Pfand quasi. Das ist für uns natürlich der Horror. Ohne Papiere in einem zentralasiatischem Land? Geht nicht! Wir versuchen eine Quittung für unsere Pässe zu erhalten, das ist nicht möglich. Nach einigen Verhandlungen wird der Zöllner, der uns begleiten wird einsichtig. Als Pfand erhalten wir seinen Offiziersausweis und diverse andere Papiere von ihm. Das führt immerhin zu einer Pattsituation. Da es inzwischen dämmert ist das die einzige Lösung wenn wir nicht am Grenzübergang übernachten wollen.

Während die Sonne hinter den Bergen verschwindet hören wir ein letztes Welcome to Tadschikistan und verlassen die Grenze. Jetzt lernen wir erstmals, was eine echte Waschbrettpiste ist. Auf dem welligen Untergrund rappelt das Auto ab Schrittgeschwindigkeit derart, dass einem Angst und Bange wird. Nach kurzer Zeit lösen sich Schrauben der Innenverkleidung, die Türen vibrieren derart, dass man durch den Türspalt schauen kann. Nebenbei bemerken wir, dass wir ca. fünfzig Meter am Grenzzaun nach China entlang fahren. Nach einigen Kilometern Tortur wird aus der Piste wieder so etwas wie eine Straße. Mit den üblichen Symptomen: Schlaglöcher, Asphalthügel, fehlende Abschnitte. Auf dieser traumhaften Straße machen wir die 10.000 km seit Hohentann voll. Im dunklen erreichen wir Karakul, den ersten Ort hinter der Grenze und checken in einem Homestay ein. Wir bekommen traditionelle Kost, die uns nach einem anstrengenden Tag sehr gut schmeckt. Einige leiden unter leichten Symptomen der Höhenkrankheit, hauptsächlich Kopfschmerzen und extremer Müdigkeit. Unser Quartier liegt auf 4000 Metern. Erschöpft fallen wir ins Bett.

Bleibt die Frage, was passiert mit unseren Papieren?

Höhentraining? 

Am Morgen starten wir früh. Wir wollen Osch passieren und möglichst weit in die Berge fahren um möglichst hoch zu übernachten. Unsere Körper sollen sich an die Höhe gewöhnen.

Durch eine wunderschöne Landschaft schlängelt sich die Straße entlang einem türkisgrünen Gebirgsbach durch Berge, die durch ihre Farben beeindrucken. Von rotem über grünen und schwarzen Stein ändert sich das Panorama hinter jeder Kurve, hinter jedem Tunnel. Wir erreichen ein breites Tal, die Straße führt uns direkt an der usbekischen Grenze entlang nach Osch.

In der Stadt angekommen Essen wir zum ersten Mal auf der Reise Schaschlik. Eigentlich dachten wir, wir würden uns hauptsächlich davon ernähren. Die Spieße sind lecker, noch besser gefallen uns allerdings gefüllte, gebackene Teigtaschen. Womit gefüllt? Natürlich mit Fleisch und Zwiebeln. Eine interessante Küche ist das hier!

Wir machen uns auf in die Berge und finden einen wunderschönen Platz zum übernachten, an Idylle kaum zu übertreffen. Abgelegen auf einem Hügel umzingelt von Schafen, Pferden und Kühen schlagen wir unser Lager auf. Als wir die Anwohner fragen, ob wir hier übernachten dürfen werden wir, mit Verweis auf die Kälte zu ihnen ins Haus eingeladen. Wir lehnen dankend ab.

In 2000 Metern beginnen wir mit mit dem Passat tuning à la Hatobar. Die Federn der Hinterachse werden mit je neun Tennisbällen gefüllt, was unseren Boliden hinten fünf cm mehr Bodenfreiheit gibt. Einfach genial!

Am späten Abend gesellen sich, nach einem kurzen Abstecher nach Usbekistan die Boozebrothers wieder zu uns, so dass wir am nächsten Morgen wieder mit vier Autos unterwegs sind. Getränk des Abends wird Tee mit Zitrone, Honig und Wodka. Lecker aber gefährlich!

Ins Gebirge

Heute morgen machen wir uns auf den Weg zu einem Tennisverein in Bischkek. Warum? Dazu später mehr an dieser Stelle. Als kleiner Tip, es hat etwas mit den Straßen im Gebirge zu tun. Ein Vögelchen hat uns gezwitschert, dass die Straßenverhältnisse alles andere als gut sind.

Nachdem wir erfolgreich 40 Tennisbälle erworben haben decken wir uns noch in einem großen Supermarkt mit Verpflegung für die letzte Woche ein. Dann verlassen wir die Stadt wieder Richtung Westen. Wir müssen ein Stück zurück um zum Beginn der M41 zu gelangen, der Straße, die uns bis nach Duschanbe begleiten wird,dem so genannten Pamir Highway. Durch das großstädtische Verkehrsgetümmel  erreichen wir diese berüchtigte Straße und stärken uns noch einmal bevor es in die Höhe geht. Manti und Rührei mit Buchweizen und Hackfleisch stehen auf der Speisekarte.

Es kann losgehen: Die Straße schlängelt sich durch ein atemberaubendes Tal in die Berge. Immer wieder kommen uns neben LKWs  und Autos auch Schaf-,  Kuh- und Pferdeheerden entgegen. Auf der Straße natürlich. Erstmals nimmt die Leistung unserer Boliden spürbar ab, als wir die 2000 Meter Marke passieren. Das haben wir zwar schon in Transilvanien und im Kaukasus getan, da Betrug die Steigung aber nicht dauerhaft 12%. Die Busse und LKWs, die sich hier hoch quälen bewegen sich zum größten Teil mit Schrittgeschwindigkeit, sowohl rauf als auch runter. Am Pass in 2600 Metern angekommen erwartet uns ein ganz besonderes Schmankerl. Ein ca. 3km langer Tunnel, nicht belüftet und schlecht beleuchtet. Da wird auch im Auto die Luft dünn.

Wir verlassen den Tunnel und unser Blick fällt auf ein weites Hochtal. Auf dem Weg ins Tal machen wir kurz Pause und erwerben eine Flasche Stutenmilch, die hier überall am Straßenrand Angeboten wird. Nach dem Öffnen der Flasche ist sofort klar, dass es sich hierbei um eine besondere Spezialität handelt. Die warme, sauer riechende, stark kohlensäurehaltige Milch schmeckt sehr ähnlich zu dem was sowieso schon im Magen ist. Muss gesund sein!

Durch das Hochtal fahren wir immer weiter nach Westen in Richtung Ötmök Pass. Hier sind die Straßen nicht mehr so steil und wir kommen zügig voran. Der Pass liegt hier auf 3186 Metern, das Höhentraining hat begonnen.

Am Abend schlagen wir unser Lager am Toktogul auf, einem idyllischen Bergsee in ungefähr 1000 m Höhe. Unser erstes Höhentraining war also nur von kurzer Dauer. Morgen wollen wir in rund 3000 Meter Höhe übernachten, denn der Grenzpass nach Tadschikistan führt uns gleich auf 4300 Meter über dem Meer.

 

Nach einer Woche in der Wüste, eine warme Dusche am Abend

Am morgen werden wir von einer Kuhherde geweckt. Die Hirten begrüßen uns und sind vermutlich froh etwas Abwechslung in ihrem Alltag zu erleben. Man plauscht ohne ein Wort des Gegenübers zu verstehen, Spaß macht es trotzdem. Einer hat eine Tochter in Bremen. Wir sind wie schon so oft von der Offenherzigkeit der Menschen hier begeistert. Als wir alles zusammen gepackt haben kommen noch zwei Reiter vorbei, die gut sich gut gelaunt über unsere Rally informieren.

Wir starten Richtung kirgisische Grenze. Die Berge zu unserer Rechten werden immer höher.  kurz vor der Grenze werden die Gipfel Schneebedeckt. Hier unten sind es weiterhin über 30°C. Unseren letzten Tenge verwandeln wir in Benzin und mal wieder in ein leckeres kasachisches Essen. Fleisch mit Brühe, Nudeln und Teig. Wie immer. Aber wie immer schmeckt es sehr gut. Durch zunehmenden Verkehr erreichen wir die kirgisische Grenze. Die Zöllner bei der Ausfuhr sind strenger als gewohnt. Wollen diverse Einzelheiten über unser Gepäck wissen. Als wir den Kofferraum öffnen, winken sie jedoch verzweifelt ab, wir dürfen weiter fahren. Die Einreise nach Kirgisistan ist unglaublich einfach, schneller als die einreise beispielsweise nach Rumänien. Auf eine Gepäckkontrolle wird gleich ganz verzichtet. Wir sind im Handumdrehen über die Grenze.

Jenseits der Grenze ändert sich der Straßenverkehr gewaltig. In Kasachstan war so gut wie kein Verkehr. Hier, unmittelbar hinter der Grenze gleicht der Verkehr sich Ostasiatischen Verhältnissen an. Im dichten Gedrängel fahren wir die 60km bis nach Bishkek, der Hauptstadt Kirgisistans. Wir brauchen für dieses kurze Stück ca. 2,5 Stunden, hoffentlich wird das außerhalb des Berufsverkehrs besser. In Bishkek suchen wir uns ein hübsches Hotel. Nach einer Woche Wüste und Steppe ist eine warme Dusche unglaublich belebend. Die Hautfarbe ändert sich gleich in ein deutlich helleres Braun, das Duschwasser färbt sich hingegen schwarz. Der Wüstenstaub und die Abgase der russischen LKW haben eindeutig ihre Spuren hinterlassen. Außerdem nutzen wir die Gelegenheit zum Wäsche waschen, es wird sicher die letzte auf unserer Reise sein.

Gleich gehen wir traditionell kirgisisch essen, bevor wir uns morgen auf den Weg zum Pamir Highway machen. Dem großen Ziel unserer Reise.

Raus aus dem Nichts

Wir haben unsere erste wirklich kalte Nacht erlebt.  Bei Tagestemperaturen um die 35°C wurde es nachts sicher unter 10°C kalt. Dazu war die ganze Nacht insektenfrei, wir wissen nicht ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Für eine Nacht war es jedenfalls sehr angenehm.

Am Abend haben wir noch unsere Heimflüge gebucht, am 30.09. werden wir mit den meisten anderen Teilnehmern der Rally in Frankfurt landen. Voraussichtlich gegen 7 Uhr deutscher Zeit.

Wir brechen wieder früh auf, denn heute wollen wir mal wieder etwas anderes sehen als Steppe, Wüste und Steppe. Dazu müssen wir mindestens bis Shymkent kommen, besser etwas weiter. Im Süden sollten sich dann die ersten Berge auftürmen. Wir nähern uns unweigerlich dem Highlight unserer Reise, dem Pamirgebirge.

Am Abend ändert sich die Landschaft. Als wir Shymkent passieren tauchen im sandigen Dunst die ersten Hügel auf. Wir haben die ersten Ausläufer des Himalayas erreicht. In Shymkent kaufen wir noch einmal Wasser und Brot, dann suchen wir uns früh eine Stelle zum übernachten. Während die Sonne hinter den Hügeln verschwindet und den Himmel in ein tiefes Orange färbt stellen wir unsere Zelte zwischen den Bäumen an einem Flussufer auf. Bäume, die haben wir seit fünf Tagen nicht mehr gesehen. Zufrieden kochen wir uns ein leckeres Chili mit Couscous und fallen erschöpft ins Bett.

 

Führt der Weg zu den Sternen durch die Wüste?

Am morgen machen wir uns auf den Weg zum Aralsees. Leider ist die Schotterpiste, der wir 60km folgen müssten, in einem nicht besonders guten Zustand und wir entschließen unseren Boliden dieses Leid zu ersparen. Die Buckelpisten hier haben schon einige Spuren hinterlassen. Stattdessen beschließen wir den ehemaligen Hafen von Aral zu suchen, denn man darf es nicht vergessen, hier in dieser tristen Wüstenstadt gab es einmal Wasser in Hülle und Fülle. Die alte Wasserlinie ist noch zu erkennen, allerdings ist es nicht vorstellbar, dass hier einst das Wasser so hoch gestanden haben soll. Dahinter erstreckt sich eine endlose Wüste ohne jede Erhebung. Man kann nur erahnen, wie groß dieser See einst war.

Wir füllen unsere Wasservorräte wieder auf, hier in der Wüste brauchen wir 4 bis 5 Liter Wasser pro Person und Tag, und das ohne wirkliche körperliche Anstrengungen, und verlassen die Stadt Richtung Südosten. Nächster Tagesordnungspunkt ist das Kosmodrom in Baikonur. Wir hoffen auf ein paar hübsche Schnappschüsse von der Abschussrampe, außerdem wollen wir das Raumfahrtmuseum in der Stadt besuchen.

Vorbei an zahlreichen Kamelheerden führt die Straße durch erstaunlich viele kleine Dörfer. Und das hier mitten in der Wüste. Wovon die Menschen hier in der Wüste leben ist nicht ersichtlich. Die Dörfer bieten allerdings eine willkommene Abwechslung. Wir erreichen Baikonur und müssen enttäuscht feststellen, dass die Stadt nur Kasachen und Russen zugänglich ist. Damit schon mal kein Museumsbesuch. Auch die Fahrt zum Kosmodrom endet frühzeitig. In etwa 25 km Entfernung zur Abschussrampe befindet sich der Eingang zum Gelände. Martin fragt noch beim Zöllner nach, ob es möglich ist das Gelände zu befahren, aber was eigentlich klar war betätigt sich, wir dürfen nicht passieren. Das sovietische Raumfahrtprogramm wurde vor der Bevölkerung geheim gehalten. Wie hält man Raketenstarts geheim? Man verlegt sie in eine Wüste, die erst hinter dem Ende der Welt beginnt. Von den gigantischen Anlagen bekommen wir auch heute noch nichts zu sehen.

Ein wenig enttäuscht verlassen wir Beikonur und essen in einem kleinen Restaurant kasachische Gerichte. Es gibt verschiedene Sorten Fleisch mit Nudeln, Kartoffeln und Brühe. Alles erstaunlich lecker. Frisch gestärkt setzten wir unsere Fahrt fort. Unser neues Tagesziel: Noch ein paar Kilometer zurücklegen bis die Sonne tiefer am Horizont steht und die Tageshitze endlich den angenehmen Abendtemperaturen weicht.

Wir verlassen die Wüste und kommen in das Gebiet des Flusses Syrdarja, einem Zufluss des Aralsees, der diesen über die Sommermonate nicht mehr erreicht, sondern vorher in der Wüste versiegt. Die Landschaft ändert sich. Rechts und links der Fahrbahn stehen Brusthohe Bücher, zum Teil sogar noch mit grünen Blättern. Das ist das erste Grün, dass wir sehen, seit wir die Berge in Georgien verlassen haben. Die Steppe ist hier von unzähligen Kanälen durchzogen, die das Wasser des Flusses in die ehemaligen Baumwollanbaugebiete der UDSSR verteilen. Mit der Dämmerung suchen wir uns eines dieser alten Baumwollfelder zur Übernachtung aus. Auffällig ist, dass es hier so gut wie keine Insekten gibt. Es liegt die Vermutung nahe, das der massive Einsatz von Pestiziden in dieser Region die Fauna vernichtet hat und bis heute gering hält.

Am Abend wissen wir, für uns führt der Weg zu den Sternen nicht durch die Wüste.